Nach Teil 1 der Novelle der Wr. Bauordnung drohen nun mit Teil 2 nicht minder bedenkliche Eingriffe in das Grundrecht auf Eigentum.
Die Wiener Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal outet sich im Zusammenhang mit der am 1. Juli in Kraft getretenen Novelle der Wiener Bauordnung gegenüber der „Zeit“ mit den Worten: „Diesen Schatz haben wir gesichert!“ Christoph Chorherr, der für die Grünen die Wiener Baurechtsnovelle verhandelte, bemüßigt sich anzumerken, dass er sich nun einen „ökonomischen Switch im Kopf der Hausbesitzer erwarte.“ Zusatz: Dafür gibt es ja auch gute Förderungen.
Glauben die politisch Verantwortlichen denn wirklich, dass Hausbesitzer von dem „gesicherten“ Schatz tatsächlich abbeißen können? Und wie bitteschön soll sich der „ökonomische Switch“ im Kopf eines Hausbesitzers vollziehen, dessen Haus in einem Gründerzeitviertel gelegen und mit diversen Altmietverträgen belastet ist?
Allenfalls kann ein Lottogewinn, nicht aber die eigenen Mietzinseinkünfte dafür herangezogen werden, um den Hausbestand etwa durch einen Ausbau des Dachbodens zu verbessern. Jeder halbwegs ökonomisch denkende Mensch kann diese Aussagen entlarven: Sie können kein aufrichtiges Interesse an der Erhaltung der historischen Bausubstanz haben, denn dann hätte die Novelle inhaltlich anders ausgesehen und wäre nicht ohne Begutachtung in einer Nacht und Nebel Aktion beschlossen worden. Den Verantwortlichen geht es in Wahrheit um eine Ausweitung des kontraproduktiven Mieterschutzes über den Umweg der Wiener Bauordnung.
Nach dem ersten Streich folgte leider sprichwörtlich sogleich der zweite: Diesmal aber mit offizieller Begutachtung. Mögen in Teil 2 des Entwurfs zur Wiener Bauordnung die eine oder andere zeitgemäße Änderung – Stichwort: Keine Verpflichtung mehr zur Trennung von Bad und WC sowie Änderung der Wohnungs-Mindestgröße von 30 auf 25 Quadratmeter – enthalten sein, sieht auch dieser Entwurf markante Eingriffe in das Eigentum vor:
Kurzfristige Vermietungen dürfen künftig nicht mehr in Wohnungen, die sich in einer Wohnzone befinden durchgeführt werden. Durch Einführung einer Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ soll zum Zweck der künstlichen Beschränkung der Bodenpreise eine Limitierung der Grundkosten bewirkt werden.
Der Entwurf rechtfertigt diese Vorgehensweise mit dem öffentlichen Interesse, die Erschwinglichkeit von Wohnungen, insbesondere für einkommensschwächere Gruppen zu gewährleisten und beruft sich dabei auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs. Dass diese Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes aber zum Richtwertgesetz ergingen und sich nicht auf die Bestimmungen der Bauordnung übertragen lassen, stört die Legisten nicht.
Ebenfalls in der „Zeit“ erschien kürzlich ein Artikel, in welchem Gutachter der deutschen Bundesregierung dafür plädieren, die Wohnbaupolitik drastisch zu verändern. Dies betrifft einerseits die Streichung der Mietpreisbremse, da diese die erhoffte preisdämpfende Wirkung nicht entfaltet habe und den Anreiz, neue Wohnungen zu bauen, vermindern würde. Ausdrücklich für insgesamt falsch halten die wissenschaftlichen Berater die staatliche Förderung von Baumaßnahmen und setzen sich dafür ein, dass einzelne Mieterinnen und Mieter gefördert werden. Einer der maßgeblichen Aspekte sei, dass in der Regel nur ein einziges Mal das Einkommen der Menschen geprüft werde, die eine Sozialwohnung beziehen wollen. Sie fordern deshalb, dass die Bedürftigkeit künftig regelmäßig überprüft werde, sollten wieder mehr Sozialwohnungen entstehen.
Gerade in Wien ist der Anteil des öffentlichen Mietsektors mit rund 400.000 Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen so hoch wie in keinem anderen Bundesland und überragt den privaten Mietsektor beträchtlich. Zahlen belegen aber auch die fehlende soziale Treffsicherheit. Laut Statut von Wiener Wohnen liegt der Zweck dieser Unternehmung in der Schaffung von modernen Mietwohnungen für einkommensschwächere Personen und Familien.
Anstelle über die Bauordnung das Grundrecht auf Eigentum stetig auszuhöhlen, sollten die politisch Verantwortlichen von ihrer Enteignungspolitik abrücken und ihre soziale Wohnpolitik nach dem Grundsatz „Menschen fördern und nicht Mauern“ richten. Denn wenn im sozialen Wohnbau Besserverdiener angemessen zu den Wohnkosten beitragen und durch den Mehrerlös einkommensschwächere Gruppen unterstützt werden, wäre schon viel erreicht!