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Oktober: Was wir jedenfalls brauchen

Rechtliche Regelungen sind notwendig, um in einer Gesellschaft für ein geordnetes Zusammenleben zu sorgen. Oft gibt es konkrete Anlässe, um bestimmte Rechtsvorschriften zu erlassen. Leider werden manchmal im Vorfeld andere, damit in Zusammenhang stehende Gesichtspunkte zu wenig bedacht und ausreichend berücksichtigt.

Betrachten wir die letzten gesetzlichen Regelungen, so zeigt sich in der Politik derzeit folgendes Bild: Taucht ein Problem auf, muss so rasch wie möglich punktuell eine Lösung dafür gefunden werden. Andere damit zusammenhängende Fragen bleiben dabei außer Betracht. Ideologiegetriebene Verengungen nehmen überhand und ersetzen – oft auch aus politischer Bequemlichkeit – den ganzheitlichen Blick.

Was sich auf den ersten Blick als sinnvoll erweisen mag, ist aber bei näherer Überlegung vielleicht doch nicht so klug. Es ist eine intensive Auseinandersetzung, ein reifliches Überlegen und Abwägen aller in Betracht kommenden Umstände notwendig.

Ein Beispiel aus der Praxis: Leidet ein Patient an Bluthochdruck, kann ihm diesbezüglich mit einem Blutdruck senkenden Medikament wahrscheinlich geholfen werden. Zu beachten sind aber auch etwaige Nebenwirkungen, die sich bei Einnahme eines bestimmten Präparates einstellen können und erforderlichenfalls die Berücksichtigung anderer oder zusätzlicher Maßnahmen erfordern.

Nicht nur in der Medizin, auch in der Raumplanung stehen bestimmte „Instrumente“ zur Verfügung, die dazu dienen, die konkreten Grundlagen – als Voraussetzung für eine vernünftige Planung – zu erheben: Im Rahmen der Grundlagenforschung werden ausgiebig Daten erhoben, die den Ist-Zustand ermitteln. Darüber hinaus müssen mögliche Entwicklungen und Einflussfaktoren einbezogen und untersucht werden. Erst danach können sinnvolle Entscheidungen getroffen werden, wie auf bestimmten Flächen vorzugehen ist.

Eine Richtschnur für die Abschätzung bieten aber auch Vergleiche mit Rechtsvorschriften in anderen Staaten. Hat ein Staat bereits eine bestimmte Regelung erlassen und Erfolg damit gewonnen, können Rückschlüsse und Anhaltspunkte hinsichtlich ihrer Auswirkung und Effizienz auch für die eigene Rechtssetzung gewonnen werden.

Lassen Sie mich meine Überlegungen anhand einiger weiterer Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen des Wohnens veranschaulichen:

Mietrecht
Nehmen wir an, es wird die Behauptung aufgestellt, die Mieten seien besonders stark angestiegen. Dazu bedarf es zunächst einer Prüfung, ob dies auch tatsächlich zutrifft und, bejahendenfalls, worauf dieser Preisanstieg zurückzuführen ist. Stellt sich heraus, dass eine verstärkte Nachfrage nach Wohnraum dafür verantwortlich ist, werden strengere Regulierungen den erhofften Erfolg vermutlich nicht erzielen. Es braucht in dieser Situation mehr Wohnungen, um das Angebot nach besonders nachgefragten Wohnungen zu vergrößern. Durch Beschränkungen und Verbote entstehen keine zusätzlichen Wohnungen. In diesen Fällen sind Anreize für die Schaffung von Wohnraum sicher besser.

Maklerrecht
Im Regierungsprogramm ist die Einführung eines Bestellerprinzips enthalten. Hintergedanke dieser angestrebten Regelung dürfte sein, einkommensschwächere Wohnungssuchende finanziell zu entlasten. Dies bedeutet, dass Vermieter als „Besteller“ für die Vermittlung zur Kasse gebeten werden sollen. Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass aufgrund dieser vor fünf Jahren eingeführten Bestimmung das Angebot an Wohnungen auf dem Markt deutlich abgenommen hat. Diese Maßnahmen begünstigen somit eine künstliche Verknappung und bewirken nicht den erhofften Erfolg, ganz im Gegenteil, sie gestalten die Wohnungssuche, die vermehrt in Form von Massenbesichtigungen erfolgt, deutlich schwieriger. Negative Auswirkungen hat die Umstellung auch auf die Wahrnehmung der Interessen durch den/die MaklerIn, der seine/ihre Tätigkeit künftig ausschließlich für den/die zahlende VermieterIn erbringt. „Geschützt“ werden dadurch allerhöchstens diejenigen, die über ein entsprechendes Budget verfügen und darum eigentlich nicht „schutzwürdig“ sind.

WEG
Um die thermische Gebäudesanierung anzukurbeln, sollen im Wohnungseigentum Vereinfachungen in der Beschlussfassung erfolgen. Damit ist es möglich, dass eine Minderheit über die Mehrheit Entscheidungen durchsetzen kann, die am Ende des Tages viel Geld kosten, sich summa summarum als völlig unwirtschaftlich erweisen, zu überhöhten und langandauernden Zahlungen der Eigentümergemeinschaft führen und möglicherweise doch nicht den erhofften ökologischen Effekt zur Folge haben. Derartige Regelungen führen dazu, dass etwa ältere Personen, die auf ihre Mieteinkünfte angewiesen sind, durch die Finger schauen und Familien, die ihre Wohnung mühsam erspart haben, aufgrund von überhöhten Zahlungen aus dem Eigentum gedrängt werden.

Sozialer Wohnbau
Der soziale Wohnbau – bestehend aus Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen – umfasst mehr als 60% des gesamten österreichischen Mietwohnungsbestandes. Groß ist mittlerweile auch dessen Fehlbelegung aufgrund mangelnder sozialer Treffsicherheit. Zahlen belegen, dass die Einkommensverteilung im öffentlichen Mietsektor mit sozialer Bedürftigkeit schon lange nichts mehr gemein hat. Zurückzuführen ist dies auf die mangelnde Berücksichtigung der Haushaltsentwicklungen nach erfolgtem Eintritt und extensive Eintrittsrechte.

Dem – speziell von Mietervertretern vorgebrachten – Argument der sozialen Durchmischung im sozialen Wohnbau lässt sich einfach und wirkungsvoll begegnen: Nicht nur im privaten Mietsektor, sondern auch im sozialen Wohnbau sollte ein angemessener Mietzins vorgeschrieben werden können. Zahlen der Statistik Austria belegen, dass bspw. in Wien im Jahr 2019 mehr als die Hälfte der Gemeindebaumieter mehr als das Medianeinkommen (das ist ein NETTO-Einkommen € 2.144 pro Jahr) verdient.

Würden Besserverdiener (nach unserem Verständnis all jene, deren Einkommen über 100% des Medians liegt und bis zu 180% des Medians reicht) den durchschnittlichen Mietpreis zahlen, der über alle Bereiche (Gemeinde, Genossenschaft, Privat) von der Statistik Austria errechnet wurde (das waren im Jahr 2019 6,1 € pro Quadratmeter) und Topverdiener (das sind all jene, die mehr als 180% des Medians verdienen) jenen Durchschnittsmietzins zahlen, der auf dem Privatmarkt besteht (das sind laut Statistik Austria im Jahr 2019 € 7,5 pro Quadratmeter), könnte die Stadt Wien Mehreinnahmen von knapp 123 Millionen Euro pro Jahr lukrieren. Mit diesen Mehreinnahmen könnten rund 100.000 Menschen (das entspricht der doppelten Einwohnerzahl von St. Pölten) im Wege der Subjektförderung geholfen werden, die im Gemeindebau keinen Platz finden und daher auf den Privatmarkt angewiesen sind. Die Botschaft ist daher klar: „Menschen fördern und nicht Mauern!“

Die Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände, die Einbeziehung aller Eventualitäten ist im Rahmen der Gesetzwerdung sicher nicht möglich. Umso wichtiger ist es, die Treffsicherheit einer in Aussicht genommenen Regelung im Vorfeld möglichst genau zu eruieren.

Politik sollte gerade beim Wohnen das Große und Ganze im Auge behalten und für einen Interessensausgleich sorgen. In den letzten Jahren war dies nicht immer der Fall. Es steht zu befürchten, dass bei der nächsten Wohnrechtsnovelle dieser Weg weiter beschritten wird.

Österr. Haus- & Grundbesitzerbund, Landesgerichtsstraße 6, A-1010 Wien, Tel. +43 (0)1 505 74 00, Email: office@oehgb.at
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