Studien sollten aufgrund eingehender Recherchen objektive Resultate hervorbringen. Nicht selten werden diese Recherchen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen „zurechtgelegt“, schlicht falsch oder unvollständig wiedergegeben, um die eigenen Anliegen zu positionieren und das Publikum für sich zu gewinnen.
Erste Studie
Eine Wifo-Studie vom Mai 2016 kritisierte die Zunahme der Ungleichheit in der Verteilung der verfügbaren Einkommen im Zeitraum zwischen 2000 und 2010 mit der Folge einer schwachen Entwicklung des Arbeitsmarkts. In dieser Studie wird festgehalten, dass der effektive Abgabensatz auf Unselbständigeneinkommen im Jahr 2010 im Durchschnitt bei 43% lag (mit einer effektiven durchschnittlichen Lohnsteuerleistung von 11% und einem effektiven Sozialabgabensatz von 32%), bei Einkünften aus Zinsen und Dividenden bei 25% und bei Erträgen aus Vermietung und Verpachtung bei 21%.
Es dauerte nicht lange, da hörte man einen Aufschrei der Grünen und der Arbeiterkammer: Von Arbeiterkammer-Präsident Kaske kam als Konsequenz dieser Umverteilungsstudie des Wifo eine Offensive zur Schaffung von Jobs mit „Qualität“ und ausreichendem Einkommen, Ausbau von sozialen Dienstleistungen und eine stärkere Besteuerung von Vermögen sowie eine Entlastung von Arbeit. Der grüne Budgetsprecher drängte lautstark auf eine Änderung der Abgabenstruktur und kritisierte, dass Vermögenseinkommen aus Zinsen und Dividenden sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung viel niedriger besteuert würden als Erwerbseinkommen.
Was die beiden Herren ideologiegetrieben nicht berücksichtigt hatten: Die Studie betrifft den Zeitraum 2000 bis 2010, also lange vor der letzten Steuerreform, die im Bereich der Einkommen die ersehnte Entlastung gebracht hat. Dass die Gegenfinanzierung speziell durch Verschärfungen im Immobilienbereich und letztlich auf Kosten des Mittelstandes erfolgte, sei hervorgehoben. Dass aufgrund dieser Belastungen nachweislich Aufträge an die Bauwirtschaft samt Nebengewerbe zurückgehen, weshalb auch in weiterer Folge die Beschäftigungszahlen betroffen sind, sei ebenfalls erwähnt und es stellt sich die Frage, auf welche Weise Dienstgeber trotz schwindender Auftragszahlen für Jobs mit „Qualität“ und ausreichendem Einkommen sorgen sollen.
Dass die durchschnittliche Abgabenquote von 43% auch die Sozialversicherungsbeiträge iHv 32% beinhaltet, wurde in der ORF Aussendung allerdings mit keinem Wort erwähnt. Was der grüne Budgetsprecher offenbar nicht wusste ist, dass Mieteinkünfte im Wesentlichen gleich besteuert werden wie Erwerbseinkommen – oder eigentlich sogar höher: Es gibt für Vermieter weder ein begünstigtes 13. und 14. Monatsgehalt wie für die Nichtselbständigen noch den 13%igen Gewinnfreibetrag wie für die Selbständigen.
Zweite Studie
Eine Presseaussendung einer bekannten Immobilienplattform, ebenfalls vom Mai dieses Jahres, verkündete unter Berufung auf die Kaufkraftdaten eines namhaften Marktforschungsinstituts: „Der Einkommenssäckel wird in Österreich durch das Wohnen stärker belastet als in Deutschland. Das liegt nicht zuletzt an der teilweise höheren Kaufkraft in deutschen Städten.“
Laut Internationalem Währungsfond (IWF), der die Kaufkraft der Gesamtbevölkerung in 185 Ländern der Welt vergleicht, rangiert Österreich für den genannten Zeitraum 2015 auf Platz 16, Deutschland hingegen „nur“ auf Platz 18. Österreichweit ist die Kaufkraft somit (unwesentlich, aber doch) höher. Mag sein, dass in einzelnen deutschen Städten eine höhere Kaufkraft besteht als in ausgewählten österreichischen Städten. Aber rechtfertigt dieses Detail eine eigene Aussendung mit dem Hinweis auf ein sensationelles Ergebnis?
Die Kaufkraft beinhaltet Nettoeinkünfte der Bevölkerung, Kapitaleinkünfte sowie staatliche Transferzahlungen wie Arbeitslosengeld, Kindergeld und Renten. Wollte man wirklich Gleiches mit Gleichem vergleichen, müsste berücksichtigt werden, dass die Abgabenquote in Österreich nicht unerheblich höher ist als in Deutschland. Das wiederum hätte zur Folge, dass die Kaufkraft in Österreich noch höher wäre als sie tatsächlich ist.
Schauplätze dieser Art gibt es genug. Der Klassiker ist die Vermengung von Hauptmietzins und Betriebskosten unter einem Hut, um dann zu dem sensationellen Ergebnis zu kommen, wie sehr wieder einmal die Mieten gestiegen sind. Wie wir wissen, steckt auch hier System dahinter.